Mosambik

Im November 2022 reiste das INTERPLAST-Team aus Bad Kreuznach zum ersten Mal nach Beira, einer großen Hafenstadt in Mosambik, im südwestlichen Afrika, in das große staatliche Krankenhaus von Beira.

Was hatte sich alles derweil In der Zwischenzeit verändert? Die engagierten Kollegen vor Ort hatten all unsere Vorschläge, wie man unter den gegebenen begrenzten Bedingungen die Behandlung der Kranken verbessern und die Arbeitsabläufe effektiver gestalten könnte, umgesetzt: Wenn wir vor einem Jahr unsere Patienten in verrosteten Betten ohne Decken in schmutzigen Krankensälen zwischen unsauberen Verbänden, Eitergeruch und vor Schmerz schreienden Kindern aufsuchen mussten, so liegen sie nun in frischer Bettwäsche in verstellbaren Kunststoffbetten, ausreichend mit Medikamenten aus Deutschland versorgt. Fußboden und Wände sind frisch gestrichen und glänzen vor Sauberkeit. Die kleinen Patienten, die sich mit ihren Müttern oder Geschwistern die Betten teilen, strahlen vor Dankbarkeit. 2022 war bis zu unserer Ankunft kaum etwas vorbereitet. Zu unsicher war man damals bezüglich der Zuverlässigkeit der unbekannten Gäste. Entsprechend schleppend stellte sich nach und nach der Patientenstrom ein. Planen war unmöglich.

Dieses Mal hatte die chirurgische Chefärztin Doktora Zelia schon Wochen vorher 48 Verbrennungspatienten für uns ausgewählt, uns zur Vorbereitung Fotos ihrer Entstellungen geschickt, alle rechtzeitig angerufen und zu unserer Ankunft einbestellt. Keiner der 48 kommt zu spät! Einige sind von weither schon Tage zuvor angereist und nächtigten in Beira bei Verwandten. Die Hoffnung auf eine Wiederherstellung der verkrüppelten Hand oder der Entlastung eines vernarbten Halses, der das Kinn immer weiter auf die Brust zieht, lässt sie Hunger, Durst und ermüdende Tagesreisen bei sengender Hitze auf sich nehmen.
Akute medizinische Hilfe ist in Mosambik höchstens in den großen Städten möglich. Auf dem Land bleiben die frisch verbrannten Kinder unversorgt. Theoretisch werden in Mosambik, einem traditionell sozialistischen Land, die Kosten für die Krankenbehandlung vom Staat übernommen. Praktisch ist das jedoch nicht mehr als eine Mangelverwaltung: Wir sehen sieben Kinder mit Wasserköpfen und Geburtsfehlbildung, die seit Wochen auf die lebensrettende Operation warten. Doch erst als unsere Anästhesisten einige Ampullen Atropin zur Verfügung stellen, können diese armen Wesen gerettet werden. Da Verbandsmaterial fehlt, laufen die kleinen Verbrennungspatienten mit durchnässten Kompressen, notdürftig mit Baumwollfäden umwickelt über die Flure.

Der Hauptengpass aber ist das Personal, besonders die Fachärzte: Kubaner und Nordkoreaner, die für begrenzte Zeit eingesetzt werden, können die Lücken nicht schließen. Auf Qualität oder menschliche Eignung kann kein Wert mehr gelegt werden. Jeder wird eingestellt. Schwere Zwischenfälle aufgrund ärztlichen Versagens müssen in Kauf genommen werden. Die Resignation ist groß. Unglaublich ist vor diesem Hintergrund, dass drei Kollegen, der Chirurg Dr. Mario, Doktora Zelia und der chirurgische Assistenzarzt Dr. Achmed in all dieser Macht- und Mittellosigkeit vor Optimismus, Empathie und Schaffensfreude nur so strahlen. Ihre unbegrenzte Einsatzbereitschaft, visionäre Zielsetzung, ihre Unbeirrbarkeit, Zuverlässigkeit und tief gefühlte Verpflichtung den Armen und Chancenlosen gegenüber, dürfen wir jeden Tag aufs Neue erfrischend, Hoffnung vermittelnd und Sinn stiftend erleben. Wohlstand und persönlicher Luxus in Europa lockt sie nicht. Sie lassen ihre Patienten in Beira nicht im Stich!
Das größte Geschenk, das wir ihnen mitbringen, ist die Lehre, durch die sie bei Dr. André Borsche gehen dürften. Keine Operation fand ohne unsere wissbegierigen und gelehrigen Kollegen statt. In der zweiten Woche unseres Einsatzes können wir sogar einen zweiten Operationssaal eröffnen, wo mosambikanische Ärzte selbstständig kleine Patienten nach deutschem Vorbild operieren.

Eine Überraschung erleben wir gegen Ende des Einsatzes: 2022 mussten wir einen kleinen bis auf Haut und Knochen abgemagerten Jungen ablehnen, weil er die Strapazen einer Operation nicht überlebt hätte. Wir ließen der sehr besorgten Mutter Geld da, in der Hoffnung, dass sie das Kind mit viel Geduld doch noch vor dem Hungertod retten könnte. Sein Schicksal ließ uns lange nicht los. Jetzt bittet uns ein kleiner Junge, sein verkrüppeltes rechtes Händchen geradezurichten. Ist es tatsächlich René, das apathisch ausgemergelte Wesen von 2022! Dieses Mal ist er kräftig genug, sodass wir die Operation wagen können. Am nächsten Morgen bei der Visite begrüßt er uns fröhlich mit seinen Verband winkend, während er sich von seiner überglücklichen Mutter mit großem Appetit Suppe füttern lässt.

Nach zwei Wochen, sind wir alle menschlich zusammengewachsen, wir, die Patienten und unsere mosambikanischen Kollegen. Wir werden in intensiven E-Mail Austausch bleiben. Das dritte Mal, ein Einsatz im November 2024 ist schon fest eingeplant...

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