Haroon wagt nun erste Gehversuche
Haroon (9) hatte vor sechs Monaten eine schwere Verbrennung am Bein bis auf den Knochen erlitten, es drohte die Unterschenkelamputation. Der Unfall geschah in einem afghanischen Krankenhaus, wo ein Heizlüfter die Bettdecke des Jungen entzündete und zu der grausigen Verletzung geführt hatte. Alle Behandlungsversuche vor Ort blieben erfolglos bis die Eltern so viel Geld zusammen hatten, dass eine Verlegung in das Kinderkrankenhaus nach Kabul möglich wurde. Aber auch dort wurde klar, dass der mitverbrannte Knochen kaum zu retten war. Es war nun Markus Dewender von der Hilfsorganistaion "Kinder brauchen uns e.V." zu verdanken, dass der Hilferuf bis nach Bad Kreuznach zu Dr. André Borsche kam. Anhand von Fotos war es offensichtlich, dass hier eine aufwendige, mikrochirurgische Operation erforderlich sein würde, um das Bein zu retten. Nach der Zusage von INTERPLAST und den Ärzten des Diakonie Krankenhaus in Bad Kreuznach, Haroon zur Behandlung nach Deutschland zu holen, dauerte es noch mehrere Monate bürokratischer Vorbereitungen bis es dann Wirklichkeit wurde. Haroon landete kurz vor Weihnachten in der Obhut des Ärzte- und Pflegeteams der Kinderabteilung von Dr. Christoph von Buch in der Diakonie. Nun galt es zunächst festzustellen, ob der Unterschenkelknochen überhaupt noch durchblutet war. Prof. Frank Hartmann, Chefarzt der Unfallchirurgie im Diakonie Krankenhaus, nahm sich des Beines in einer ersten Operation an und schabte so viel verbrannten Knochen ab bis glücklicherweise sichtbar wurde, dass der Knochen in der Tiefe noch lebt. Daraufhin galt es die Infektion im umliegenden Gewebe zu beherrschen, um dann den riesigen Gewebedefekt am Unterschenkel mit einer großen Transplantation verschließen zu können. Nun wenige Spezialisten in Deutschland sind in der Lage diese filigrane Mikrochirurgie so sicher zu beherrschen, dass ein möglichst geringes Risiko für das Kind besteht. Und so lud André Borsche seinen befreundeten Kollegen Dr. Federico Becker, leitenden Oberarzt im Klinikum in Kassel nach Bad Kreuznach ein, um diese Operation gemeinsam mit dem Team der Plastischen Chirurgie durchzuführen. In einer fünfstündigen Operation gelang es dann, eine große Gewebetransplantation vom Rücken zum Unterschenkel zu realisieren. Dies alles ohne Blutverlust unter optimalen Narkosebedingungen. Der neue Chefarzt der Anästhesieabteilung Dr. Veit Kürschner freute sich über die gelungene Kooperation und versprach auch in Zukunft mit Rat und Tat INTERPLAST zur Seite zu stehen. Bange Tage der Nachbehandlung erbrachten endlich die so ersehnte Erleichterung: Die mikrochirurgisch angeschlossenen Gefäße ermöglichten eine stabile Durchblutung der großen Lappenplastik. Nach zwei Wochen war es dann auch soweit, dass Haroon erste Gehversuche mit seinem neuen Bein wagen konnte. Unter krankengymnastischer Anleitung lernte er langsam wieder Sicherheit beim Gehen. Mittlerweise sind auch alle Hautfäden und -klammern entfernt und alle Wunden verheilen sehr gut. Inzwischen ist Haroon in der Obhut von Familie Hilde und Hans-Gert Dhonau in Bad Kreuznach liebevoll aufgenommen worden und wird von der kreuznacher Hausärztin Najiba Behmanesh mitbetreut. Nun lernt er Deutsch und fühlt sich richtig wohl. Er belohnt uns mit seinem über das ganze Gesicht strahlenden Lachen und rührt uns mit seinem fröhlichen Wesen. In einigen Wochen wird es dann aber wieder in seine Heimat Afghanistan gehen und wir hoffen sehr, dass es ihm trotz der sehr schwierigen und ärmlichen Umstände dort weiterhin gutgehen mag. Die von INTERPLAST Sektion Bad Kreuznach getragenen Behandlungskosten werden dankenswerterweise von der Bürkle-Stiftung mit 10.000€ unterstützt. Sicherlich ein Riesenaufwand für einen einzelnen Menschen, aber eine Investition für ein Menschenleben, die sich immer lohnt. Gerade in Zeiten weitverbreiterter Hoffnungslosigkeit gilt es Zeichen zu setzen, dass sich Solidarität auch mit den Schwächsten als eine äußerst sinnvolle, menschliche Tugend auszeichnet.